Wenn einer eine Reise tut

DarkHasi_urlaubDer gemeinsame Urlaub ist oft eine Härteprobe für die Liebesbeziehung. Radhasi fährt heuer (so wie auch die 7 Jahre zuvor) mit seinem Mausi an den Gardasee. Hasi will trainieren, Mausi hätte Lust auf Urlaub. Es kommt zum großen Showdown: Frau gegen Mann, Mausi gegen Hasi, Rad gegen Luftmatratze.

„Geh Hasi, hast du die Luftmatratze eingepackt?“ ruft die Frau aus dem hinteren Zimmer. „Nein Mausi. Für was!? Den Dreck lassen wir dieses Jahr zu Hause.“ erwidere ich bestimmt. „Wie meinst du das Hasi? Wir können doch nicht an den Gardasee ohne unser Booti fahren.“, lässt sie nicht locker und setzt dabei ihr dämliches Grinsen auf. Mein Gott, wie ich diesen Gesichtsausdruck an ihr verabscheue. „Schau Mausi, wir fahren jetzt seit sieben Jahren regelmäßig zum See. Und jedes Jahr schleppen wir deine bescheuerte Luftmatratze 700 Kilometer von Wiener Neustadt hin und noch mal 700 Kilometer retour. Und wie oft bist du damit im Wasser gewesen? Weißt du, auf was ich hinaus will?“

Als Antwort erhalte ich ein „Mhm!“ und einen strafenden Blick. Nach einer kurzen, aber unerträglichen Pause, gibt sie Gas: „Und was ist mit deinen drei Rädern? Die müssen auch jedes Jahr mit. Und ich habe mich noch nie darüber aufgeregt, obwohl wir ständig Zores damit haben. Es fängt beim Beladen vom Bus an. Fast eine Stunde vergeht, bis du sie hinten verstaut, mit Schaumgummi geschützt und unter Wolldecken versteckt hast. Und wenn ich erst an deine Spanngurt-Zeremonie denke. Immer wenn ich glaube du wärst fertig, zauberst du noch einen Gurt hervor. Das ewige Anhalten am Pannenstreifen um die Befestigung zu kontrollieren und nachzuspannen treibt mich schon die letzten Jahre in den Wahnsinn. Nicht zu schweigen von den Problemen die wir danach im Hotel haben. Tägliche Streiterei mit dem Rezeptionisten, Räder rauf aufs Zimmer, Rad am Balkon, Rad neben dem Bett, Rad im Bad und so weiter. Und habe ich mich jemals, mein Lieber, habe ich mich jemals darüber beklagt? Weißt du, auf was ich nun hinaus will?“ „Ja Mausi. Ich hol die Luftmatratze aus dem Keller.“, antworte ich schnell und mache mich auf den Weg. Ich hasse Urlaub, aber in diesem Augenblick hasse ich sie noch mehr.

Nicht mal zwei Stunden später sitzen wir schon im Auto und passieren die „Letzte Ausfahrt Newtown“. Ich schwelge in Erinnerungen und denke an die gute alte Zeit, als ich – während die Frau plötzlich aufschreit – geschieden und solo war. „Haaaasi!?“ „Ja Mausi?“ „Hast du das WC Fenster geschlossen? Du weißt. Wegen der Katzen.“ Verdammt grübel ich, sicher bin ich mir nicht. Jetzt hat sie mich am falschen Fuß erwischt, aber ich werde pokern und ihr frech ins Gesicht lügen. Ihre verdammten Katzen konnte ich noch nie leiden und außerdem stehen wir unter einem immensen Zeitdruck. Vor dem Abendessen möchte ich unbedingt noch die Altissimo Trails mit dem Downhiller bezwingen. Auf geht’s, mit überzeugtem Blick spreche ich souverän und ruhig: „Ja, natürlich Mausi!“ Das war gut, Mann bist du gut denk ich mir. Aber sie nimmt mich mit ihrem löchernden Blick genau unter die Lupe und analysiert jede kleinste Regung in meiner Mimik. Shit, ich muss mich irgendwie verraten haben, sie fragt nach. „Bist du dir wirklich ganz, ganz sicher Hasi? Denk an die Kosten der letzten OP, als der Kater aus dem Fenster gestürzt ist. Schwörst du mir bei deinem Augenlicht und dem Leben deiner geschiedenen Kinder, dass du das Fenster 100%ig geschlossen hast?“

Nicht mal zwei Stunden später sitzen wir wieder im Auto und passieren … na ihr wisst schon. Dieses Mal versuche ich an die Zukunft zu denken. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 120 km/h und ein klein wenig Risikobereitschaft in den Baustellenbereichen könnten wir es schaffen. Am Brenner nehmen wir die Express-Mautspur und stellen uns dumm und bergab müssen wir trotz der langen 110 km/h Zone ein wenig aufs Gas steigen. Die Frau stell ich mit ihrer Lieblingsmusik und der neuesten Ausgabe des Fachmagazins „Brigitte“ während der Autofahrt ruhig und kann mich so ungestört der Raserei hingeben. Die Stunden verstreichen.

„Haben Sie es immer so eilig?“ fragt der italienische Beamte rhetorisch. „156 statt 110, das wird teuer. Hat ihre Gattin einen Führerschein dabei?“ Mir steigt der Angstschweiß auf. „Das ist nicht meine Gattin.“, versuche ich abzulenken, „Ich war schon einmal verheiratet, aber nach dem Bruch meiner Ehe aufgrund des vielen Trainings…“ „Ja sehr interessant.“, unterbricht mich der Polizist, „Ich frage Sie jetzt zum letzten Mal. Hat Ihre Beifahrerin einen Führerschein dabei?“ Der Typ meint es tatsächlich ernst, jetzt liegt alles an meiner Maus, vielleicht kann sie die Situation noch retten. Vier Augen blicken erwartungsvoll auf die Frau und sie beginnt ihr Plädoyer: „Seit Stunden rede ich schon auf ihn ein. Fahr doch nicht so schnell Hasi, wir wollen in den Urlaub und keine Reise in den Tod antreten. Aber er hört nicht auf mich. Es ist ja nicht so, dass er nur sein Leben gefährdet, sondern auch meines und das anderer Verkehrsteilnehmer.“ Der Polizist absorbiert ihre Worte wie ein trockener Schwamm. „Was war noch mal die Frage? Ach ja. Ja, ich habe meinen Führerschein dabei, warum wollen Sie das wissen?“

Kurz darauf finde ich mich am Beifahrersitz wieder. Das Urteil war bitter, trotzdem gibt es keinen wirklichen Grund zur Panik. Schon in vier Wochen bekomme ich meinen Führerschein samt der Ordnungsstrafe zugesandt und die Altissimo Trails können sich heute Abend dennoch ausgehen. Der Vorsprung, den ich vor der Geschwindigkeitskontrolle herausgefahren habe, müsste groß genug sein. Außerdem blieben mir die Belehrungen meiner besseren Hälfte erspart, dachte ich zumindest. „Das hast du jetzt davon. Du und deine ewige Raserei. Ich hab dir immer schon gesagt, dass sie dir den Schein zwicken werden.“ „Danke Mausi. Wie recht du doch hast. Aber warum konzentrierst du dich nicht einfach auf die Straße und gibst Gas.“, erwidere ich, während „Brigitte“ durch meine verschwitzten und zitternden Finger gleitet.

Zu Beginn der Abenddämmerung erreichen wir endlich das Hotel. Ich bin immer wieder beeindruckt wie langsam und unfähig man ein Kraftfahrzeug steuern kann und tue dies auch öfters kund, aber das Ziel ist das Ziel und deshalb mache ich mich sofort daran den Downhiller aus dem Auto zu zerren. Aufgrund der vielen Decken und dieser verdammten Spanngurte braucht leider alles seine Zeit. „Sag bitte nicht, du gehst jetzt noch radfahren, Hasi? Wir sind doch gerade erst angekommen und es ist doch schon viel zu dunkel und gefährlich.“ Während ich weiter mit den Gurten kämpfe, antworte ich voller Überzeugung: „Papperlapapp. Ehe du das ganze Gepäck und die Räder hinaufgetragen hast, bin ich schon wieder zurück von der Tour.“ In Anbetracht der Menge an Werkzeug, Ersatzteilen, Bekleidung, Gepäck und Zubehör eine tatsächlich realistische Ansage. Kurz darauf schwinge ich mich schon auf meine Maschine und werfe der Frau zum Abschied einen abschätzigen Blick zu. „Du wirst dir weh tun Hasi“, kontert sie, aber ich gebe vor sie nicht zu hören.

Nach der schweißtreibenden Auffahrt zu den drei Sendern, dem Ausgangspunkt der Downhill Tour, finde ich mich bereits in der Dunkelheit wieder. Aufgrund der Eigenschaft, dass ich wegen meines Stolzes keinen Rückzieher dulde und der Frau auf keinen Fall Recht geben möchte, stürze ich mich in die steile Abfahrt und fliege von einer Kehre zur nächsten. Für einen kurzen Moment verspüre ich tatsächlich das Gefühl des freien Falles und glaube, den Boden unter den Füssen zu verlieren. Dunkelheit. Rotorgeräusche eines Hubschraubers. Schwindel. Schläuche, Fläschchen und große Augen weiß bekleideter Männer. Stille. „Bin ich nun im Himmel?“, denke ich mir, als ich wieder zu Bewusstsein komme und meine Augen öffne. „Was machst du immer nur für Sachen, Hasi?“ flüstert mir die Frau vorwurfsvoll ins Ohr. Ich erkenne ihr Gesicht wie durch ein Fischauge und spüre ihren heißen Atem auf meiner Haut. „Nein, ich muss in der Hölle sein.“, schießt es mir ins Gehirn, als ich erneut ins Koma falle.

Einige Tage später liege ich schon am Pool in unserem Quartier. Ich hatte Glück im Unglück, außer einer starken Gehirnerschütterung und einer gebrochenen Schulter ist nicht viel passiert. Das Rad hat ebenfalls überlebt und die Kosten für die Hubschrauberbergung übernimmt meine Unfallversicherung. Einzig Mausi ist mir geblieben. „Stört es dich, wenn ich mit meinem Surflehrer heute Abend nach Bardolino in die Disco gehe?“, fragt sie mich sanft. Ein Hoffnungsschimmer? „Natürlich nicht Mausi. Macht euch einen schönen Abend.“, antworte ich verständnisvoll, als ich mich auf meiner Luftmatratze räkel und mir die Sonne auf den Bauch scheinen lasse. Das Leben kann so schön sein.

erschienen in der Radwelt 06-2007