Typisierung / Eintragung von Motorradumbauten in Österreich

Was man beim Tuning unbedingt beachten muss!
„Führerschein und Fahrzeugpapiere, bitte!“, hallt es dem Motorradfahrer entgegen. Dieser, ein echter Profi auf dem Gebiet der Polizeikontrolle, grüßt die beiden Herren Beamten freundlich, greift nach seinen Papieren und besinnt sich der wichtigsten Regel zum Thema Verkehrskontrollen, nämlich zu schweigen. 

„Sie wissen, warum wir Sie angehalten haben?“ geht es heikel weiter. „Nein“, lautet die einzig richtige Antwort – selbst, wenn man zuvor mit 150 km/h über die Bundesstraße gefegt ist, eine arglistig positionierte Stopptafel schlichtweg überfahren oder vor der rot werdenden Ampel nochmal so richtig Stoff gegeben hat. Denn sämtliche Erklärungs- und Rechtfertigungsversuche beweisen vor allem nur eins: den Regelbruch mit Vorsatz. Schließlich rückt der gesprächigere der beiden Gesetzeshüter feierlich mit „75 statt 50 im Ortsgebiet, nach Toleranzabzug“ heraus. Unser Motorradfahrer ist sichtlich verblüfft und kann sein Glück gar nicht fassen: nur ein Bußgeld, vermutlich um die 35 Euro? Leiwand!

„Aber zeigen Sie uns bitte noch ihren Verbandskasten“, fordert nun der andere, interessiert ums Fahrzeug herumscharwenzelnde Kollege und legt mit „Ihr nachgerüsteter Schalldämpfer besitzt doch sicher eine EG-Genehmigung?“ nach. Hämisch grinsend präsentiert unser Biker das E-Prüfzeichen am Endtopf und ein fahrzeugspezifisches Gutachten in Form einer Scheckkarte. „Sehr schön. Und was ist mit den Verkleidungsteilen aus Carbon?“ bohrt der StVO-Spezialist nach. „Jeder einzelne Anbau- und Verkleidungsteil besitzt selbstverständlich eine ABE“, entgegnet der Motorradfahrer überlegen. „Und diese Dokumente haben Sie auch ganz bestimmt alle dabei, richtig?“ ging es weiter. Stille. „Genauso wie Sie die Fahrwerksänderungen, den Lenker, die Bremspumpen, die Felgen, den Kennzeichenträger, die Sitzbank, das Windschild und die Sturzpads bei Ihrer zuständigen Landesfahrzeugprüfstelle vorgeführt und eintragen haben lassen!?“

Darauf hat der mittlerweile demoralisierte Zweirad-Pilot keine Antwort mehr, und während der eine Polizist anfängt, zu schreiben, nimmt der andere schon das Kennzeichen ab. Abgesehen vom abrupten Ende seiner Ausfahrt und den Kosten für Taxi und Abschleppdienst droht dem Motorradfahrer womöglich eine saftige Verwaltungsstrafe bis zu 5.000 Euro. Viel kritischer hätte aber ein Verkehrsunfall ausgehen können, wären nicht genehmigte bauliche Veränderungen für den Unfall ursächlich gewesen. Im schlimmsten Fall könnte dann die Versicherung die Leistung verweigern bzw. die entstandenen Kosten beim Versicherungsnehmer einfordern.

Zugegeben, die Geschichte der Fahrzeugtypisierung in Österreich ist eine Geschichte voller Missverständnisse und nur die wenigsten Werkstätten, Fahrzeughalter und Exekutivbeamte sind in allen Bereichen wirklich sattelfest. Aber dennoch und gerade wegen der möglichen weitreichenden Folgen wäre es sehr wichtig, alle relevanten Änderungen am Fahrzeug eintragen zu lassen. 1000PS hat sich dieses Themas angenommen, mit echten Spezialisten gesprochen und gibt euch im folgenden Abschnitt alle Antworten auf wichtige Fragen zum Thema Typisierung & Eintragung in Österreich.

Warum müssen am Fahrzeug durchgeführte Änderungen typisiert bzw. eingetragen werden?
Abgesehen von der gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 33 des Kraftfahrgesetzes Österreich (KFG 1967), bei welcher grundsätzlich alle Änderungen am Fahrzeug (bis auf wenige Ausnahmen) dem zuständigen Landeshauptmann angezeigt und ins Genehmigungsdokument (Typenschein- bzw. Einzelgenehmigungsbescheid) eingetragen werden müssen, spielen die Verkehrs- und Betriebssicherheit sowie der Versicherungsschutz des Fahrzeuges eine große Rolle. Denn nach der Umrüstung darf das Fahrverhalten des Fahrzeuges unter betriebsüblichen Bedingungen die Verkehrs- und Betriebssicherheit niemals negativ beeinflussen.

Beim „Eintragen bzw. Typisieren“ wird die Eignung der Bauteile bzw. Tuningmaßnahmen am Fahrzeug von offizieller Stelle bewertet und, sofern alles in Ordnung ist, die Verkehrs- und Betriebssicherheit bestätigt. Damit halten die Veränderungen des Serienzustands etwaigen Kontrollen stand und der Versicherungsschutz bleibt auch bei einem Unfall aufrecht.

Welche Fahrzeugänderungen müssen in den Typenschein eingetragen werden?
Bis auf wenige Ausnahmen müssen sämtliche Änderungen (Anbauten, abweichende Bauteile und Tuningmaßnahmen) eingetragen bzw. typisiert werden. Bei den genehmigungsfreien Teilen und Maßnahmen gilt es zu beachten, dass häufig Unterlagen und offizielle Freigaben mitgeführt werden müssen.

  • Motorrad – das muss in Österreich typisiert werden
    Räder und Reifen (jede Änderung der Rad- und Reifenkombination, die nicht im Genehmigungsdokument des Fahrzeugs angeführt ist, auch wenn sich nur die Radgröße oder -type ändert)
  • Fahrwerksänderungen (jede Änderung am Fahrwerk wie Lenker, Gabelholme und -brücken, Federbeine, Fahrwerksfedern, etc.)
  • Anbau und Abbau von Anbauteilen (Kotflügel, Windschild, Sitze, Fußrasten, Kennzeichenhalter, Geschwindigkeitsmesser, Kontrollleuchten und Betätigungseinrichtungen, etc.)
  • Fahrgestelländerungen (Kürzen des Hecks, Entfernen von Verbauten, etc.)
  • Beleuchtung (Änderung der Einbaulage oder -position)
  • Schalldämpfer (Auspuffanlagen ohne E-Prüfzeichen)
  • Bremsen (An-, Um- und Zubauten von Teilen der Bremsanlage)
  • Motorumbau und Änderungen am Motor (Gemischbildung, Turbo, etc.)
  • Leistungsänderungen > 5% (gilt für Reduzierung als auch Steigerung)
  • Motorrad – genehmigungsfreie Änderungen
    Vom Hersteller in den Fahrzeugdokumenten freigegebene Felgen und Reifen (auf Serienfelgen des Fahrzeugherstellers)
  • Scheinwerfer, Leuchten und Rückstrahler mit EG-Genehmigung (E-Prüfzeichen)
  • Rückspiegel mit EG-Genehmigung
  • Zusätzliche Nebel-/Fernlicht-Scheinwerfer (sofern die zulässige Kennzahl für die Lichtstärke nicht überschritten wird)
  • Auspuffanlagen mit EG-Genehmigung (Freigabe muss mitgeführt werden)
  • Typidente bzw. technisch gleichwertige Teile der Bremsanlage
  • Scheibentönungsfolien mit EU-Genehmigungszeichen (Freigabe muss mitgeführt werden)
  • Motortausch (gleicher Typ)
  • Leistungsänderungen < 5% (gilt für Reduzierung als auch Steigerung)

Müssen Teile, für welche man eine ABE besitzt, in Österreich eingetragen werden?
Ja, denn die sogenannte Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) wird vom deutschen Kraftfahrbundesamt (KBA) vergeben und besitzt in Österreich keinerlei Gültigkeit. Wenngleich Teile mit einer ABE seitens der deutschen Gesetzgebung genehmigungsfrei sind, müssen die Änderungen aufgrund unseres nationalen KFG 1967 in Österreich eingetragen werden.

Wo und wie können Fahrzeugänderungen typisiert werden?
Änderungen am Motorrad, welche die Verkehrs- und Betriebssicherheit beeinflussen können, sind dem zuständigen Landeshauptmann anzuzeigen. Das bedeutet im Klartext, dass das bereits umgerüstete Fahrzeug mitsamt aller notwendigen Unterlagen bei der Landesfahrzeugprüfstelle des Bundeslandes, in dem sich der Hauptwohnsitz des Zulassungsbesitzers befindet, vorgeführt werden muss. Im Falle einer Vertretung durch Dritte wird eine schriftliche Vollmacht benötigt. Die Kontaktdaten der jeweils zuständigen Prüfstellen stehen am Ende des Artikels.

An einem gesondert vereinbarten Termin führen Amtssachverständige der Landesregierung die Fahrzeugüberprüfung und Begutachtung durch. Sind keine wesentlichen technischen Merkmale betroffen und werden Verkehrs- und Betriebssicherheit nicht herabgesetzt, kann die Änderung genehmigt werden.

Abschließend erhält der Halter des Fahrzeugs mit dem Typenschein und der genehmigten Änderungen bei seiner Zulassungsstelle einen neuen Zulassungsschein mit offiziellem Vermerk. Im Falle einer Zulassungs-Scheckkarte, werden die Änderungen auf dieser gespeichert.

  • Welche Unterlagen brauche ich genau, um Anbauteile und Tuningmaßnahmen eintragen zu lassen?
    Genehmigungsnachweis oder Genehmigungsdokument (Typenschein, Einzelgenehmigung oder Datenauszug bzw. COC Certificate of Conformity aus der Genehmigungsdatenbank)
  • Bestätigung der Fachwerkstätte über den sach- und fachgerechten Umbau
  • Technische Unterlagen in Form von Gutachten von TÜV, Ziviltechnikern, Ingenieurbüros oder Sachverständigen, welche eine Bestätigung der Eignung aller Anbauteile für das betroffene Motorrad beinhalten
  • Eventuell Unbedenklichkeitsbestätigung des Fahrzeugherstellers
  • Eventuell weitere Bestätigungen und Gutachten auf Verlangen der Prüfstelle
  • Eventuell Vollmacht, die zum Betrieb des Motorrads und zur Vertretung auf der Landesregierung berechtigt

Wie hoch sind die Kosten?
Pro Änderung rund 26 Euro, für die Eintragung in das Genehmigungsdokument 14,30 Euro.

Welche Probleme könnten bei der Eintragung auftreten?
Häufig reichen die gestellten Unterlagen für die Genehmigung nicht aus und die Landesregierung fordert weitere Gutachten, Freigaben oder sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigungen (UBE). Oft sind diese beim Hersteller des Anbauteils oder gar beim Fahrzeughersteller nur schwer bzw. gar nicht zu bekommen. In diesen Fällen hilft dann meist nur mehr der Weg zu Spezialisten. Ziviltechniker, Ingenieurbüros und Sachverständige im Bereich Maschinenbau und Kraftfahrzeugtechnik sind die richtigen Ansprechpartner in derlei Angelegenheiten.

Um euch zukünftigen Ärger und Tränen zu ersparen, trafen wir Dipl-Ing. Raphael Bischof von Ingenieurbüros Bischof & Zechner, einen absoluten Spezialisten für Umbauten, Gutachten und Berechnungen im Bereich des Kraftfahrwesens, zu einem ausführlichen Gespräch. Zudem legte er an der Typisierung unserer 1000PS-Yamaha, vom letztjährigen MT-09 TuneUp-Projekt, Hand an und ließ alle genehmigungspflichtigen Teile von offizieller Stelle prüfen und eintragen.

1000PS: Wie heikel siehst du das Thema der Typisierung von Motorradumbauten in Österreich aus Sicht des Fahrzeughalters?
Raphael Bischof: Viele Fahrzeughalter kämpfen während der gesamten Abwicklung mit einer Flut unterschiedlichster Informationen, wie beispielsweise den konträren gesetzlichen Regelungen in Österreich gegenüber unseren deutschen Nachbarn, den vielen, teils fatalen Fehlauskünften selbsternannter Spezialisten in Onlineforen und dem Mangel an technischen Gutachten, Freigaben oder sogenannter Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Meist nimmt der Prozess überproportional viel Zeit in Anspruch oder man resigniert, legt das komplette Projekt ad acta oder riskiert, das umgebaute Motorrad ohne entsprechende Genehmigung zu betreiben. Letzteres ist nicht zielführend und kann im Falle von Unfällen zu massiven Haftungsproblematiken führen.

1000PS: Kann man schon im Vorfeld der Eintragung etwaige Unklarheiten ausräumen?
Raphael Bischof: Grundsätzlich kann man schon vor der Eintragung von Änderungen an Kraftfahrzeugen die zuständige Landesregierung bzw. einen Amtssachverständigen für Kraftfahrzeugtechnik konsultieren. Erfahrungsgemäß ist dies jedoch nicht immer erfolgreich, da die Offiziellen meist, ohne dem vorgeführten Fahrzeug und allen Unterlagen, keine verbindliche Auskunft geben können oder wollen. Bei komplexeren Projekten würde ich dringend dazu raten, sich an Spezialisten für Änderungen an Kraftfahrzeugen zu wenden (Ingenieurbüros, Ziviltechniker etc.). Diese beraten ausführlich und erstellen Gesamtgutachten im Hinblick auf alle durchzuführenden Änderungen.

1000PS: Welche Möglichkeiten gibt es, um die Typisierung mit dem absoluten Minimum an Zeitaufwand und finanziellem Risiko durchzuführen?
Raphael Bischof: Ingenieurbüros und Zivilingenieure können als Bevollmächtigte vor Behörden sowohl Anträge einbringen als auch die gesamte Eintragung vom Antrag bis hin zur Genehmigung abwickeln! Das heißt: Projektmanagement inkl. Gutachtenerstellung aller Umbauten, sowie die Abwicklung der Genehmigung durch das Vorführen des Fahrzeuges nach Terminvereinbarung am zuständigen Amt der Landesregierung. In jedem Fall rate ich dazu, sich bereits vor dem Umbau des Motorrades zu vergewissern, welche Änderungen zulässig sind.

Kontaktdaten der jeweils zuständigen Landesfahrzeugprüfstellen:
Burgenland:
Amt der burgenländischen Landesregierung | Abteilung 5 Baudirektion Europaplatz 1, 7000 Eisenstadt

post.a5-sachverstaendigendienst@bgld.gv.at, Tel 057/600-6200

Kärnten:
Amt der Kärntner Landesregierung | Abteilung 9 – TKW Technisches Kraftfahrwesen Flatschacher Straße 70, 9020 Klagenfurt

abt7.kfz@ktn.gv.at, Tel 0463/536-17264

Niederösterreich:
Amt der Niederösterreichischen Landesregierung | Abteilung WST8 Landhausplatz 1, Haus 7 , 3109 St. Pölten

post.wst8@noel.gv.at, Tel 02742/9005-16030

Oberösterreich*):
Amt der Oberösterreichischen Landesregierung | Abteilung Verkehr Goethestraße 86, 4021 Linz

kfz.verk.post@ooe.gv.at, Tel 0732/7720-13575

Salzburg:
Amt der Salzburger Landesregierung | KFZ-Prüfstelle Karolingerstraße 34, 5020 Salzburg

pruefstelle@salzburg.gv.at, Tel 0662/8042-5353

Steiermark*):
Amt der Steiermärkischen Landesregierung | Abteilung 15 Petrifelderstraße 102, 8041 Graz

kfzpruefstelle@stmk.gv.at, Tel 0316/877-2161

Tirol:
Amt der Tiroler Landesregierung | TÜV Süd Landesges. Österreich Trientlgasse 8, 6020 Innsbruck

office-innsbruck@tuev-sued.at, Tel 0512/341910

Vorarlberg:
Amt der Vorarlberger Landesregierung | TÜV Süd Landesges. Österreich Reitschulstraße 8, 6923 Lauterach

office-lauterach@tuev-sued.at, Tel 05574/66570

Wien:
Amt der Wiener Landesregierung | Magistratsabteilung 46 7. Haidequerstraße 5, 1110 Wien

landesfahrzeugpruefstelle@ma46.wien.gv.at, Tel 01/4000-95559

*) Die Bundesländer Oberösterreich und Steiermark stellen eine Sonderform dar, hier können unter bestimmten Umständen die Eintragungen auch ohne direkten Kontakt mit der Landesfahrzeugprüfstelle durchgeführt werden! Zuständig sind hier sogenannte Nicht-Amtliche Sachverständige gem. § 125 KFG 1967, kurz „NASV“. Eine entsprechende Liste der zugelassenen NASV ist auf der Prüfstelle anzufordern.

Quellen:
https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/6/Seite.061630.html#AllgemeineInformationen

https://www.ibbz.at/2017/08/03/typisieren/

Rechtsgrundlagen:
• §33 Kraftfahrgesetz (KFG)

• §22a Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung (KDV)

• Änderungserlass zu den baulichen Veränderungen an Fahrzeugen (Änderungsliste 12/2015)

Hier gehts zum kompletten Bericht auf 1000PS